Briefe aus dem KZ Sachsenhausen 1941-1945
Brief vom 27. Juli 1941
Aus dem Jahre 1941 existieren 9 Briefe
27. Juli 1941 Meine Lieben, bin bei voller Gesundheit und warte nun auf Nachrichten von Euch. Benutzet nur ungefütterte Umschläge und beachtet ganz genau die obigen Vorschriften. Werdet Ihr noch lange bei den Eltern wohnen bleiben? Hast etwas wegen der Herausgabe des deutsch-litauischen Wörterbuches schon erreicht? Hat Iduna-Germania wegen des Rückkaufwertes der Versicherung schon geantwortet? Auch in den anderen Fragen möchte ich Nachricht haben. - Am 6. hat unser kleines Niunilein Geburtstag. Küsse ihn herzlichst von mir, daß es ihm wohlergehe. Gott möge ihn behüten und seine Kindheit, die ihm noch bevorsteht, vergolden! - Beachte meine genaue Adresse! Euch meine Lieben, wünsche ich alles Gute. Behaltet den Kopf hoch und vertraut auf die Zukunft. Aus der Ferne grüßt Euch alle, Euer Papi.
Brief vom 02. August 1942
Aus dem Jahre 1942 existieren 23 Briefe
2. August 1942 Liebstes Annilein, letzten Brief gestern herzlichst dankend erhalten. Obgleich er traurige Nachricht über unsern Liebling brachte, bin Dir doch dankbar, daß Du mir alles mitteilst. Danke Du dem Doktor auch in meinem Namen, daß er sich um unser Bubilein so bemüht. Ich bin der festen Hoffnung, daß die Operation keine schlimmen Folgen haben wird. Niunilein wird bald gesund sein. Daß er den ganzen Winter krank war, daran ist auch der Klimawechsel wohl schuld. Wenigstens so erklärte hier mir ein Arzt. Ich habe z.Z. auch immer einen Schnupfen, was im Sommer im Memel selten der Fall war. Sonst bin ich gesund. - Ich glaube nicht, daß für uns eine Zurücksiedlung nach Litauen in Frage kommt, da wir Reichsangehörige sind. Solltest Du aber von da fortmüssen, bitte den Lagerführer, daß Du noch bleiben könntest, bis Bubilein wieder bei Dir sein kann. - Es sind schwere Zeiten, aber vielen geht es viel, viel schlechter als uns. Denke nur an die Kriegsopfer. Vertrauen wir auf Ihn, der alles lenkt und leitet! Küsse unseren Liebling zu seinem Geburtstag von mir. Grüße Euch herzlichst Euer Papi.
Brief vom 13. Juni 1943
Aus dem Jahre 1943 existieren 23 Briefe
13. Juni 1943 Herzliebstes, vor 8 Tagen hast Deinen Geburtstag zum 3. mal ohne mich gefeiert, auch das Pfingstfest. Sende Dir zu beiden die allerherzlichsten Grüße und Wünsche. Zum Schenken habe nichts, kann nur das Allerbeste wünschen und den Höchsten bitten, daß Er Dir das gebe, was Du Dir wünschest. In Gedanken bin ich so oft bei Euch und male mir eine schöne Zukunft aus, an die ich fest glaube, denn auch die längste, finsterste Nacht ist mal zu Ende. Wir müssen nur glauben und Ihm vertrauen. Laß auch Du Dich von nichts unterkriegen, was auch kommen sollte. Je größer der Schmerz, um so größer nachher auch die Freude. Alles, alles Gute Dir, mein Annilein und den Kindern! Briefe v. 2. u. 30./5. erhalten. Hast meinen v. 16./5. bekommen? An Mariechen kann extra nicht schreiben, Du bekämst einen weniger. Schreibe Du ihr in meinem Namen, wie ich letztens Dir schrieb: je öfter, umso besser! - Wenn für jedes Umzugsstück 15 M gezahlt werden sollen, müßten wir über 600 M zahlen. Das ist zuviel, u. verstehe auch nicht, wofür. Ist doch nicht unsere Schuld. - Es ist nicht wahr, daß ich nicht hier wäre, wenn wir nicht nach Memel gefahren wären! Dein Bildchen hat mich sehr gefreut. Warum schreibt Ruti so wenig? Möchte mehr erfahren, was Ihr so tut, es ist mir immer interessant. Meine herzlichsten Pfingstgrüße an Euch alle! Euer Papi.
Brief vom 09. Juli 1944
Aus dem Jahre 1944 existieren 23 Briefe
9. Juli 1944 Meine liebe Rutele, wie schnell die Jahre dahinfliegen!Noch als wir vor einigen Jahren beisammen waren, warst Du noch unser Töchterchen, das den Erwachsenen sich nicht gleichstellte. In paar Tagen hast Du 19. Jahr hinter Dir. Nächstes Jahr bist schon 20 – 1/5 Jahrhundert. Heute schon zeigt sich auch Dir die Umwelt von einer anderen Seite als noch vor 3-4 Jahren, in aller ihrer Härte. Und wir stecken alle in dieser Umwelt mittendrin. Wer zerbrechlich ist, über den geht die Zeit dahin. Nur der in sich gefestigt ist, behauptet sich. Das Leben ist kein Ruhen, kein Dahinträumen, sondern steter Kampf. Und mein Herzenswunsch Dir, mein teures Kind, ist in diesem Kampf Dich zu behaupten. Hast keine sorglosen Jungmädchenjahre gehabt; trotzdem – halte hoch den Kopf! - Mamis Päckchen v. 15./6. am 27./6. bekommen, Marias Paket v. 26./6. am 5./7. mit allem bekommen, ebenso Euren Brief v. 21./6. Allen viel Dank. Küsse Dich herzlichst, Rutele und Euch alle in Liebe, Euer Papi
Brief vom 25. März 1945
Aus dem Jahre 1945 existieren 4 Briefe
25. März 1945 Ihr Lieben, schon wieder mehrere Wochen ohne Post von Euch. Man weiß nicht, ob Ihr noch lebt, denn heute muß man auf alles gefaßt sein. Doch ich glaube fest, daß Gott uns einander wiedersehen läßt. Das ist mein größter Wunsch, mit Euch zusammen ein neues Leben aufzubauen. Es wird zwar schwer sein, aber es wird gehen. Obgleich ich schon mal eine Adresse angegeben habe, durch die wir uns nach dem Krieg wiederfinden, falls die Verbindung unterbrochen werden sollte, will ich sie hier wiederholen: Frau M. Sprenger in Marschhoff, Post Stadt (Gut Marienhof). - Wie geht es sonst? Rutchen soll bis Kriegsschluß dableiben, nicht die Arbeit wechseln. Es geht ja dem Ende zu. Bin noch gesund. Nächsten Sonntag Ostern! Auch diesmal für uns kein frohes Fest. Hoffentlich sieht es nach einem Jahr anders aus, besser. Ja, wenn die Hoffnung nicht wäre. Hast Dich mit den Sachen zur Not untergebracht? Und der Bubi? Er kennt mich bestimmt nicht mehr, ich ihn auch nicht. Ja, wie wird die Seele dieses Kindes aussehen, oft denke ich dran. Ja, die Menschheit ist von teuflischem Wahnsinn erfaßt und leider wird sie auch anders nicht werden. Wünsche herzlichst gesundes Osterfest und Auferstehung zu neuem Leben. Küsse Euch, Papi.